Aktion Aktiv-Team „Wir bewegen uns“ der Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung endet nach drei Jahren
Mehr lesenAltdorf– Alexander Scherm kommt aus dem Strahlen nicht mehr heraus: Zur täglichen Mittagsruhe kann der 29-Jährige sich nun fast eigenständig von seinem Rollstuhl in sein Bett rollen. „Das ist für mich eine große Erleichterung“, freut er sich. Und nicht nur für ihn: Birgit Niederlich, Mitarbeiterin in der Förderstätte im Altdorfer Wichernhaus, braucht ihn nicht mehr unter erheblichen Zeitaufwand mithilfe eines Lifters zu mobilisieren. Stattdessen nimmt sie eine assistierende Rolle ein, spart Zeit und schützt zusätzlich ihre Gesundheit.
Die Erweiterung der eigenen Bewegungskompetenz und die angepasste Unterstützung im Berufsalltag erlernte Birgit Niederlich und ihre Kolleg*innen bei den absolvierten Kinaesthetics Grund- und Aufbaukurs Fortbildungen. Der Kinaestheticstrainer Stephan Posse bietet als Studienleiter der Diakonischen Akademie regelmäßig diese Schulungen an. Zusätzlich kann er seit 2018 im Bereich der Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung (RDB) gezielt die Implementierung von Kinaesthetics (Lehre von der Bewegungswahrnehmung) projekthaft unterstützen. „Mir ist es wichtig, dass Klientinnen und Klienten im Alltag Selbstwirksamkeit erfahren und dass Mitarbeitende ihre Kompetenzen erweitern“, fasst der Diakon zusammen.
Die Umsetzung dieser Ziele sollte besonders gefördert werden, weshalb Ende 2019 die Aktion Aktiv-Team „Wir bewegen uns“ startete. Zusammen mit Mitarbeitenden aus den Wohneinrichtungen, den Talentschmieden und Schulen der Rummelsberger Diakonie bildeten sich dabei insgesamt 29 Aktiv-Teams. Alle mit demselben Ziel: Menschen mit Behinderung sollen sich mehr eigenständig bewegen können. Alle Teilnehmenden erhielten für die Extraportion Motivation und Zusammenhalt bunte Team-T-Shirts.
„Jeder Mensch hat Entwicklungspotenziale“, – dieses Leitmotiv prägte die Aktion zu jeder Zeit. Dank der kinästhetischen Lernkonzepte wurden stets die individuellen Voraussetzungen bei der Durchführung der Ziele berücksichtigt. Die Klient*innen sollten mehr Unabhängigkeit erlangen und die Mitarbeiter*innen entlastet werden. Die Festlegung der Bewegungsziele gestaltete sich in der Praxis unterschiedlich. Die Teilnehmenden trafen sich zum Beispiel, um das Aufstehen vom Rollstuhl zu üben. Ein anderes Team hatte sich zur Aufgabe gemacht, sich auf der Bodenmatte liegend eigenständig drehen zu können.
Scherm von der Altdorfer Wichern-Förderstätte hatte gleich mehrere Ziele, die er durch die täglichen Übungen erreichte. Dank der Aktion kann er nicht nur fast eigenständig ins Bett, sondern fährt mit einem Rollbrett durch die Flure und geht jeden Tag auf einem Stehständer. Sein Alltag gestaltet sich selbstbestimmter, unabhängiger und gesünder. Wie er selbst berichtet, hat er durch die Bewegungserfahrungen an Kraft gewonnen und an Gewicht verloren. Niederlich betreut auch Fabian Zwenzner von der Wichern-Förderstätte, der durch zahlreiche Übungen jetzt 30 Minuten am Tag auf einem normalen Stuhl sitzen kann. Der 40-Jährige organisiert durch das Sitzen sein Gleichgewicht und balanciert sein Stehen besser aus. Das hilft ihm auch in anderen Alltagssituationen, wie er berichtet: „Im letzten Urlaub konnte ich mich in einer engen Toilette auf einer Fähre zum Stehen bringen und war stolz wie Oskar.“
Diakon Posse konnte die letzten drei Jahre die zahlreichen Erfolge der insgesamt 87 Teilnehmenden mitverfolgen und ist sehr beeindruckt von den Entwicklungen aller Beteiligten. Bedanken möchte er sich auch bei Diakon Volker Deeg, der als fachlicher Leiter der RDB die Aktion umfassend unterstützte. Scherm und Zwenzner freuen sich sehr über ihre Urkunden, die jede*r Klient*in und begleitende*r Mitarbeiter*in bei der Präsentation ihres Zieles erhielten. Die Aktion Aktiv-Team endet zwar Ende August, jedoch werden die Mitarbeitenden der RDB weiterhin die kreativen Bewegungsansätze von Kinaesthetics aktiv weiterentwickeln. Somit bleiben die Erfolge der Aktion sowie die neue Selbstbestimmtheit nachhaltig erhalten.
Internatsräume werden Interims-Schulklassen
Mehr lesenAltdorf – Nachdem alle Kinder und Jugendlichen das Internat am Wichernhaus zum Schuljahresende verlassen haben, schließt die Rummelsberger Diakonie dieses eine Angebot in Altdorf. Von den am Ende des Schuljahres 2021/22 verbliebenen 19 Schüler*innen haben elf das Internat nach Abschluss ihrer Schulausbildung verlassen. Die letztlich acht verbliebenen Kinder und Jugendlichen sind in eine andere Einrichtung gezogen. Allen Mitarbeitenden konnte innerhalb des Wichernhauses eine neue Stelle angeboten werden. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Kolleg*innen von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht. Bereits vor mehr als eineinhalb Jahren hatte die Rummelsberger Diakonie diesen Schritt angekündigt und folgte damit einer Entwicklung, nach der die Nachfrage nach Internatsplätzen in den letzten Jahren stetig abnahm.
„Entgegen dem Eindruck wird unser Angebot in Altdorf größer und differenzierter,“ sagt Wichernhausleiter Diakon Thomas Jacoby. So wurden in den letzten Jahren zehn neue Wohnplätze für Erwachsene mit Behinderung geschaffen. Auch die Heilpädagogische Tagesstätte hat mit jetzt 136 Plätzen zwei neue Gruppen eröffnet. Die Kapazität der Tagesstätte wurde auch deswegen vergrößert, um Schüler*innen aus Altdorf und Umgebung morgens den Schulbesuch und nachmittags die Angebote der Tagesstätte zu ermöglichen. Diakon Volker Deeg, Fachlicher Leiter der Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung (RDB), beobachtet seit Jahren einen Trend: „In der Eingliederungshilfe ist ein zunehmender Wohn-, Therapie- und Betreuungsbedarf für Menschen im Erwachsenenalter festzustellen“. Dem trägt die RDB Rechnung, indem sie Angebote für diese Menschen entwickelt bzw. erweitert.
Gleichwohl bleibt die Arbeit und Förderung von Kindern und Schüler*innen mit Behinderungen auch in Zukunft sehr wichtig für die Rummelsberger Diakonie. So nehmen zurzeit Pläne zur Grundsanierung der Förderschule am Wichernhaus Gestalt an. In absehbarer Zeit werden diese Arbeiten für einen zweistelligen Millionenbetrag beginnen. Die Räume des Internats werden zu Schulklassen umgestaltet, so dass während des laufenden Schulbetriebs gebaut werden kann.
Insgesamt werden in Altdorf über 500 Menschen mit Behinderung und ihre Familien ambulant und stationär begleitet. Die Angebote reichen von der Frühförderung über Schule, Heilpädagogische und Therapeutische Begleitung, Wohn- und Arbeitsplätze. Die Dienstleistungen werden von rund 500 Mitarbeitenden erbracht. Sowohl die Anzahl der Klient*innen als auch die der Mitarbeitenden wächst in den vergangenen Jahren stetig an.
Das Wichernhaus gehört zu den Rummelsberger Diensten für Menschen mit Behinderung (RDB). Die RDB ist eine gemeinnützige Gesellschaft mbH und gehört zur Rummelsberger Diakonie e.V. Sie ist Trägerin von stationären und ambulanten Diensten für Menschen im Behinderung und begleitet täglich rund 3.500 Klientinnen und Klienten in Bayern und bietet rund 2.000 Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz.
Björn Eginger arbeitet als Erzieher im Fachbereich Autismus der Rummelsberger Diakonie in Hersbruck – Tolles Team
Mehr lesenHersbruck – Björn Eginger ist ein begehrter Mann: Er ist Erzieher. Als pädagogischer Fachkraft stehen ihm auf dem Arbeitsmarkt zurzeit viele Türen offen. Vor einem Jahr hat der 32-jährige seinen Abschluss gemacht und ist dann im Fachbereich Autismus der Rummelsberger Diakonie in Hersbruck durchgestartet. „Ich habe zuvor als Mediengestalter in einer Agentur gearbeitet und mich immer wieder gefragt. Was mache ich hier eigentlich?“ Als er sich diese Frage nicht mehr beantworten konnte, fiel ihm die Entscheidung leicht. Er kündigte und begann an der städtischen Fachakademie für Sozialpädagogik in Nürnberg seine Ausbildung.
„Die Arbeit mit Menschen im Autismus-Spektrum finde ich spannend“, erzählt der 32-Jährige. Schon während seiner Ausbildung hat er in Wien ein Praktikum in einer Einrichtung für Menschen im Autismus-Spektrum gemacht. „Die vier Wochen waren wirklich intensiv“, sagt Eginger. Ohne dieses Praktikum wäre er nicht im Fachbereich Autismus gelandet und hätte Simon Schmidt (Name geändert) nicht kennengelernt. Der 22-Jährige wohnt seit drei Jahren in Hersbruck.
Die Interessen der beiden sind ziemlich gleich. Sie cruisen mit Skateboard und Roller durch Hersbruck und zocken an der Playstation. Beide stehen auf Jump & Run-Spiele. „Ich mag Lilo & Stitch“, sagt Simon Schmidt und bei Quack Attack zieht er Björn Eginger regelmäßig ab. Die enge Verbindung nutzt der Erzieher, um Simon Schmidt zu fördern. „Während der Corona-Pandemie haben wir gemerkt, dass Simon super mit Technik umgehen kann.“ Per Videotelefonie haben sie seine Sprachansätze gefördert und der junge Mann macht gute Fortschritte.
In der Arbeit im Fachbereich gibt es kein Schema-F, sondern das 25-köpfige Team in Hersbruck muss sich für jeden Menschen eine passende Lösung einfallen lassen. „Die Bewohner*innen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Und da die meisten sich nicht lautsprachlich äußern können, leisten wir auch immer ein wenig Detektivarbeit“, erzählt Eginger. Geduld, Verständnis und den unbedingten Willen, den anderen zu verstehen, sind wichtige Eigenschaften, um den Job gut zu machen. Gut geeignet ist auch, wer Strukturen vorgeben und diese etwa in Tagesplänen anschaulich machen kann.
Ursprünglich wollte Björn Eginger in einem Offenen Jugendtreff arbeiten und auf Skateranlagen und Bahnhöfen mit jungen Leuten in Kontakt kommen. Ausprobiert hatte er das bereits während seiner Ausbildung. Seine Freunde und ehemalige Schulkolleg*innen meinten, dass er super in den Bereich passe. Also hat er bei der Rummelsberger Diakonie gekündigt und zum März eine neue Stelle in der Jugendarbeit in Nürnberg begonnen. Schnell hat er gemerkt, dass die Entscheidung nicht richtig war. „Ich habe Simon und die anderen sehr vermisst“, gibt er ehrlich zu. Aber die Erfahrung war schon wichtig. Denn Björn Eginger hat gemerkt, dass er nicht Streetworker sein muss, um seine Hobbys mit seinem Beruf zu verbinden.
Björn Eginger gefällt sein Job, die Arbeit erfüllt ihn und macht für ihn Sinn. Klar ist er ein Idealist, aber will auch ein schönes Leben führen. Und das kann er auch, denn die Rummelsberger Diakonie als kirchlicher Arbeitgeber zahlt nach „Tarifvertrag“ der Diakonie (AVR-Bayern). „Gerade wurden umfangreiche Lohnerhöhungen beschlossen“, informiert Ralph Eichenseher, Leiter des Fachbereichs Autismus. Bis zu 8,6 Prozent mehr Gehalt wird es zum 1. Januar 2023 geben und eine monatliche Schichtzulage von bis zu 155 Euro. „Außerdem können wir es künftig mit 60 Euro honorieren, wenn Kolleg*innen kurzfristig an ihren freien Tagen einspringen“, sagt Eichenseher. Ein weiterer Pluspunkt ist die arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente. Und es gibt 30 Tage Urlaub und drei zusätzliche freie Tage im Jahr.
„Die Bedingungen bei der Rummelsberger Diakonie sind gut und wir haben zurzeit auch Stellen frei“, wirbt Björn Eginger um pädagogische Fachkräfte. Wer sich über die Arbeit und über freie Stellen im Fachbereich Autismus informieren will, kann hier nachlesen: www.jobsplussinn.de.
Abwechslung für autistische Kinder organisieren die Mitarbeiter*innen der Muschelkinderschule der Rummelsberger Diakonie in Nürnberg in den Ferien.
Mehr lesenNürnberg – Sechs Wochen Zeit für sich – ohne Unterricht und ohne feste Tagesstruktur. Sechs Wochen können aber auch lang werden, wenn die Ferien nicht gut organisiert sind. Für Felix Bernecker (9) ist das kein Problem. Die ersten beiden Ferienwochen macht der Neunjährige beim Ferienprogramm seiner Schule mit. Der Heilsbronner besucht die dritte Jahrgangsstufe der Schule der Muschelkinder der Rummelsberger Diakonie in Nürnberg. 28 autistische Kinder aus der Region werden in dem barrierefreien, autismusfreundlichen Neubau in der Ingolstädter Straße unterrichtet. Organisatorisch gehören die Muschelkinder zur Comeniusschule der Rummelsberger Diakonie in Hilpoltstein.
„Eigentlich haben wir uns einen Urlaub in Italien überlegt und uns dann für die Türkei entschieden. Da muss man fliegen“, erzählt Felix Bernecker. In den Ferien verreist er gerne. Aber auch zuhause hat er viel Platz zum Toben und Spielen. Zwei Zimmer stehen ihm zur Verfügung. In einem schläft und lernt er. Und hier kann er sich zurückziehen, wenn es nötig ist. Der andere Raum ist das Spielzimmer mit Klettergerüst. Hier tobt er gerne mit seiner Schwester.
„Viele unserer Schüler*innen können in den Ferien nicht wegfahren“, sagt Nicole Wegmann, Leiterin der Ganztagsbetreuung der Muschelkinder. Deshalb stellt sie mit ihrem Team für fast jede Schulferien ein abwechslungsreiches Programm zusammen. Die Highlights dieses Mal sind Tagesausflüge an den Rothsee und zum Nürnberger Tiergarten. Beim Programm in der Schule können die Jungen und Mädchen basteln, kochen, backen, Rikscha fahren oder einfach chillen. „Wir bauen auch einen Barfußpfad auf und bieten verschiedene Wasserspiele an, damit die Kinder sich abkühlen können“, erzählt Wegmann. Und auch die Eis- und Cocktailbar komme bei den Kindern gut an.
„Ich freue mich auf den Rothsee“, sagt Felix Bernecker. Allerdings wolle er im See nicht schwimmen, weil er Angst habe. Die Mitarbeiter*innen der Muschelkinderschule sind es gewohnt individuell auf die Bedarfe der Schüler*innen einzugehen und eine gute Lösung zu präsentieren. „Wir nehmen ein Planschbecken mit, dann kannst Du am Ufer baden“, schlägt Nicole Wegmann vor. Damit ist Felix Bernecker einverstanden. Die jungen Menschen mit der Diagnose „frühkindlicher Autismus“ werden bei den Muschelkindern nach dem Konzept der „Sonderpädagogischen Stütz- und Förderklassen“ gezielt ganztags gefördert. Die Klassen der „Muschelkinder“ gibt es seit 26 Jahren.
Damit das Lernen gut funktionieren kann, wurde der Neubau in der Ingolstädter Straße 50 hinter Hauptzollamt und Z-Bau autismusfreundlich geplant. Das neue Schulhaus ist mit einem Innenhof gebaut und wurde im vergangenen Jahr bezogen. Die Schüler*innen finden dort auf zwei Etagen genügend Platz, um in kleinen Gruppen zu lernen und sich bei Bedarf auch zurückzuziehen. „Die Kinder haben aufgrund ihrer besonderen Wahrnehmungsverarbeitung und ihrer starken Betroffenheit ganz spezielle räumliche Bedürfnisse“, erklärt Konrektorin Catja Primke.
Dass der Neubau möglich wurde, liegt vor allem an der Unterstützung von Schmuckunternehmer Thomas Sabo. Er hat durch eigene Recherchen das Projekt federführend mit ausgesucht und vorangetrieben. Außerdem legte er bei der „Stiftung RTL - Wir helfen Kindern", die er seit Jahren großzügig mit Spenden unterstützt, ein gutes Wort für das Vorhaben ein. Die Stiftung sagte daraufhin eine Unterstützung von rund 1,2 Millionen Euro für den Bau der neuen Schule zu. Maßgeblich finanziert hat der Freistaat Bayern den Schulbau, der insgesamt rund 6,5 Millionen Euro kostet.
Die Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation 18 plus unterstützt Bewohner*innen und Mitarbeitende der Rummelsberger Behindertenhilfe dabei, verständlich miteinander zu kommunizieren.
Mehr lesenAltdorf – Menschen, die sich nicht oder nur wenig lautsprachlich äußern können, drücken sich anders aus. Sie kommunizieren durch Hand-Bewegungen, mit Mimik und Gesten oder mithilfe von Fotos. Auch Bilder, Symbole und Technik können ihnen dabei helfen, gut verstanden zu werden. Das sind zum Beispiel Bildkarten, Computer oder Handys. Diese Angebote sind Teil der Unterstützte Kommunikation. Seit acht Jahren gibt es die Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation (UK) 18 plus der Rummelsberger Diakonie in Altdorf. Das Team kümmert sich um die Anliegen erwachsener Menschen, die von Mitarbeiter*innen der Rummelsberger Behindertenhilfe begleitet und unterstützt werden. Denn von aktuell 1.200 Menschen mit Behinderung, die bei dem sozialen Träger wohnen, äußern sich 40 Prozent der Menschen nicht oder nur wenig lautsprachlich. In Sachen Kommunikation bedeutet das eine große Herausforderung
Dabei sind die Bedarfe sehr vielfältig, das Ziel ist aber gleich: „Wir unterstützen die Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen dabei, das Zusammenleben und das Verständnis füreinander zu verbessern und so die Selbstwirksamkeit des Einzelnen zu stärken“, informiert Leiterin Anja Pudelko. Neben Ergotherapeutin und Kommunikationspädagogin Pudelko gehören Heilpädagogin Anna-Lena Deeg und Heilerziehungspflegerin Ulrike Rothlehner zum Team. Beide haben gerade ihre Weiterbildungen zum UK-Coach abgeschlossen. „Unsere Hauptaufgabe ist es, die Mitarbeitenden in der Unterstützung einer gelingenden Kommunikation anzuleiten“, erklärt Pudelko.
Um die Menschen gut fördern zu können, führen die UK-Expertinnen beim ersten Treffen eine Diagnostik durch. „Wir ermitteln dann, welche Kommunikationsmöglichkeiten die Menschen haben und überlegen, wie diese Kommunikationsmöglichkeiten unterstützt werden können“, erklärt Rothlehner. Denn in der Regel kommen die Mitarbeiter*innen mit Klient*innen, bei denen die Kommunikation hakt. Zum Beispiel Klaus Werner (Name geändert), der in einer Gärtnerei arbeitet und fit genug ist, Kolleg*innen anzuleiten. Allerdings wird er von den Kolleg*innen nicht verstanden. „In der UK-Beratung wurde besprochen, dass Klaus eine Sammlung an Symbolen bekommt, die er immer bei sich hat. Diese zeigen, was er benötigt bzw. was er von andern möchte z. B. Blumen gießen und Erde holen“, erklärt sie. Das kann aber auch sein, dass ein Bewohner plötzlich kein Marmeladenbrot mehr zum Frühstück möchte und die Kolleg*innen über die Auswahlmöglichkeit mit Symbolen herausfinden, dass er lieber Müsli mag.
Auch Klient*innen mit herausforderndem Verhalten können in der UK-Beratung Unterstützung bekommen. So zum Beispiel ein junger Mann mit einer Autismus-Spektrum-Störung, der mit den öffentlichen Verkehrsmitteln selbstständig in eine naheliegende Werkstatt zur Arbeit fahren durfte. Doch mit der Zeit kam es morgens zunehmend zu Problemen. Der junge Mann wollte den Wohnbereich nicht verlassen und warf sich auf den Boden. „In der UK-Beratung haben wir dann herausgefunden, dass er mit der Zugfahrt überfordert ist“, erklärt Anna-Lena Deeg. Nachdem das Verhalten verstanden war, haben sie dem Klienten angeboten, in die Förderstätte Vorort zu wechseln und seitdem geht der junge Mann morgens gerne in die Arbeit.
Bei der Diagnostik hilft den UK-Expertinnen, dass sie verschiedene Methoden und Ansätze einsetzen können, denn durch ihre Schulungen und Weiterbildungen vereinen die drei Kolleg*innen viel Wissen im Bereich der UK und der Diagnostik. Welche Klient*innen beim UK Team angemeldet werden, entscheiden die Kolleg*innen in den Einrichtungen und Diensten häufig in Zusammenarbeit mit dem Fachdienst. „Am besten ist, wenn wir eine E-Mail erhalten, in der der Klient*en kurz vorgestellt und der Situation beschrieben wird“, erklärt Ulrike Rothlehner. Dann melden sich die Kolleg*innen des UK-Teams mit einem Terminvorschlag. Kontakt: UK18Plus(at)rummelsberger.net
Am Auhof wird gerade ein neues Angebot für Menschen im Autismus-Spektrum konzipiert – Bezug für 2023 geplant
Mehr lesenHilpoltstein – 222 Menschen wohnen am und um den Auhof, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung der Rummelsberger Diakonie in Hilpoltstein. Wie viele Autist*innen darunter sind, kann keiner so genau sagen. Manche haben eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum, andere zeigen autistische Züge. Erfahrungen im Rummelsberger Fachbereich Autismus haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Angebote nur für Autist*innen sehr gut funktionieren. Christian Gampel (44), Leiter Wohnen, und Wohnbereichsleiterin Melanie Fischer (40) konzipieren mit einem Projektteam gerade ein neues Wohnangebot. Sie erzählen, warum das neue Wohnangebot längst überfällig ist, was Autist*innen so besonders macht und dass ein guter Know-how-Transfer im Unternehmen unbezahlbar ist.
Herr Gampel, welches Angebot ist denn geplant?
Christian Gampel: Wir wollen zwei Wohngruppen mit jeweils sechs Autist*innen gründen. Für alle wird es Einzelzimmer geben, aber Gemeinschaftsbäder und -räume. Ich hoffe, dass wir im Frühjahr 2023 mit dem Angebot starten können. Aktuell suchen wir nach Räumlichkeiten für zwei Gruppen am Auhof und die Verhandlungen mit dem Leistungsträger müssen noch geführt werden. Es ist ein großer Vorteil, dass der Fachbereich Autismus mit dem Bezirk bereits eine Leistungsvereinbarung für das Wohnangebot in Hersbruck ausgehandelt hat. Diese können wir als Basis nehmen.
Frau Fischer, wie sind Sie auf die Autist*innen am Auhof aufmerksam geworden?
Melanie Fischer: Ich leite seit 11 Jahren zwei Wohngruppen am Auhof. In einer Gruppe leben in der Regel zehn Menschen zusammen, die sich ihre Mitbewohner*innen in der Mehrzahl nicht ausgesucht haben. Außerdem haben wir noch viele Doppelzimmer und ein Rückzug in die eigenen Vier-Wände ist somit auch nicht möglich. Das führt immer wieder zu Spannungen unter den Bewohner*innen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung mit diesen Rahmenbedingungen tatsächlich schlecht zurechtkommen.
Autist*innen leben seit der Gründung des Auhofs vor 69 Jahren in der Einrichtung …
Melanie Fischer: Wenn ich ehrlich bin, ist das Angebot für die Zielgruppe Autist*innen längst überfällig. Für mein Engagement gibt es keinen konkreten Anlass, sondern ich habe gesehen, dass Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung andere Bedürfnisse haben. Bestärkt gefühlt habe ich mich in dieser Wahrnehmung, da es in der Rummelsberger Behindertenhilfe bereits spezielle Wohn- und Arbeitsangebote für Autist*innen gibt. Und 2017 wurde dann die Förderstätte für Menschen mit Autismus in Allersberg eröffnet, dort arbeiten einige unserer Bewohner*innen. So kam eins zum anderen.
Warum arbeiten Sie gerne mit Autist*innen?
Melanie Fischer: Es gibt ja den schönen Satz: Kennst Du einen Autisten, kennst Du einen Autisten. Unsere Bewohner*innen haben alle ganz besondere Bedürfnisse, für die wir uns individuelle Lösungen überlegen. Spannend ist auch die Arbeit mit der Unterstützten Kommunikation (UK).
Haben Sie sich zum Thema Autismus weitergebildet?
Melanie Fischer: Der Fachbereich Autismus bietet Weiterbildungen wie zum Beispiel die mehrtägige Schulung „Autismus verstehen“ inklusive Coaching an. Hier habe ich mir Wissen über Autismus-Spektrum-Störungen angeeignet und an praktischen Beispielen gelernt, wie sich diese auf das Verhalten der Bewohner*innen auswirken können. Klasse waren auch die Tipps, die wir für unsere tägliche Arbeit bekommen haben. Die Hilfepläne für die Autist*innen schreibe ich nun viel ausführlicher und begründe die erhöhten Bedarfe der Menschen. So haben wir die Möglichkeit vom Leistungsträger mehr Personal zu bekommen, um langfristig eine bessere Unterstützung und Begleitung zu erarbeiten.
Herr Gampel, die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg machen die Arbeit und die Finanzierung solcher Angebote nicht leichter. Dennoch muss Entwicklung stattfinden?
Christian Gampel: Mit der Konzeption des Wohnangebots für Autist*innen setzen wir unsere Strategie weiter um. Wir haben bereits einige Angebote für besondere Zielgruppen gemacht. Die Angebote sind voll besetzt und die Bewohner*innen sind zufrieden. Mit den Eltern der autistischen Bewohner*innen haben wir schon gesprochen. Sie haben sich alle positiv geäußert und freuen sich über unsere Initiative. Somit sind alle zwölf Plätze bereits besetzt.
Das Interview führte
Neuer Arbeitskreis kümmert sich im Fachbereich Autismus der Rummelsberger Diakonie um Sexualbildung und Sexualität im Wohnen in Hersbruck.
Mehr lesenHersbruck – Spätestens seit der Netflix-Serie Bridgerton ist Sex Education im Mainstream angekommen. Aber um Menschen mit Behinderung eine gute Sexualbildung zu ermöglichen, braucht es mehr als eine Fernsehserie. Seit Anfang des Jahres gibt es im Fachbereich Autismus der Rummelsberger Diakonie in Hersbruck den Arbeitskreis Sexualbildung und Sexualität. Bis zum Frühling 2023 wollen die fünf Mitglieder ein Konzept zu sexueller Bildung und Selbstbestimmung erstellen.
„Immer wieder haben uns Mitarbeiter*innen zurückgemeldet, dass sie bei dem Thema sehr unsicher sind“, erklärt Fachdienst Christoph Karwath-Päge. Unsicher zum einen darüber, was sie dürfen. „Das fängt ja schon damit an, dass ich den Menschen mitteile, dass ich sie jetzt im Intimbereich wasche oder soll ich fragen, ob ich sie waschen darf“, erklärt der Diakon und Heilpädagoge. Und dann gehe es natürlich auch darum, Menschen im Autismus-Spektrum eine gute Sexualbildung zu ermöglichen, damit sie eine selbstbestimmte Sexualität erleben können.
Zur Aufklärung hat der Arbeitskreis bereits beigetragen: Für die 25 Mitarbeiter*innen im Wohnbereich in Hersbruck haben sie eine Teamberatung mit Simone Hartmann von pro familia in Nürnberg organisiert. Die Beraterin informierte über sexuelle Bildung im Bereich Behindertenhilfe und gab zum Beispiel Tipps, wie die Bewohner*innen ihren Körper besser kennenlernen. Das gelingt zum Beispiel, indem sie ihre eigenen Körperkonturen nachzeichnen. Dazu legen sich die Bewohner*innen auf ein großes Blatt und die Mitarbeiter*innen zeichnen die Umrisse nach. Dann schauen sie sich die Umrisse zusammen an und nutzen das zum Lernen. „Wir sprechen darüber, welche Körperteile es gibt und welche bekleidet sein sollten, wenn ich mein Zimmer verlasse“, erzählt der Heilpädagoge. Die Mitarbeiter*innen stoßen auch ein Gespräch zum Thema Berührung und Intimität an. „Wir reden darüber, wo die Bewohner*innen gerne berührt werden wollen und vom wem. Und wir klären, wo sie andere berühren dürfen und an welchen Körperteilen, eine Berührung nur mit Erlaubnis stattfinden darf“, sagt er.
Außerdem lernen die Bewohner*innen mit pädagogischem Bildmaterial männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale kennen. „Bei einigen Bewohner*innen probieren wir die Arbeit mit dem Bildmaterial bereits aus und machen gute Erfahrungen“, informiert Karwath-Päge. Bisher hat sich der Arbeitskreis drei Mal getroffen. Das nächste Treffen findet nach den Sommerferien statt.
Zwölf junge Menschen aus der ganzen Welt absolvieren gerade im Wichernhaus in Altdorf ein internationales Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) – Eine Strategie gegen den Fachkräftemangel
Mehr lesenAltdorf – Mirzo Ataev ist 21 Jahre alt. Am 29. August 2021 startete der junge Mann aus Tadschikistan in das Abenteuer seines Lebens. Am Flughafen von Khujand im Süden des zentralasiatischen Landes stieg er in ein Flugzeug ein und 4.937,46 Kilometer später stieg er in Frankfurt am Main in einem neuen Leben aus. Seine Freiwilligenzeit begann er am Anfang September bei einem Träger, der mit Menschen mit Behinderung arbeitet, in einem kleinen Dorf in Mittelfranken. Sechs Monate später wechselte er ins Wichernhaus nach Altdorf. „Auf dem Dorf hat es mir nicht gefallen“, erzählt der gebürtige Tadschike, die Arbeit mit Menschen mit Behinderung hingegen hat ihn auf Anhieb begeistert.
Im Wichernhaus lebt Mirzofaridunkhon Ataev, den seine Kolleg*innen Mirzo nennen,
mit zwölf jungen Menschen zusammen, die aus dem Ausland kommen und ein FSJ oder einen Bundesfreiwilligendienst machen. Jeder hat ein eigenes Zimmer, gemeinsam nutzen sie die zwei Bäder, die Küche und das Wohnzimmer. 40 Stunden pro Woche arbeiten sie im Team mit den Kolleg*innen aus dem Wichernhaus. Die Aufgaben sind vielfältig und richten sich nach den Wünschen und dem Unterstützungsbedarf der Bewohner*innen: So unterstützen sie etwa bei der Körperpflege und dem Zähneputzen. Sie helfen beim Essen und verteilen Medikamente. „Wir planen mit den Bewohner*innen auch Freizeitaktivitäten und begleiten sie etwa ins Kino oder zu Ausflügen in die Umgebung“, erzählt Ataev.
„Ich war von 2017 bis 2018 FSJ´lerin im Wichernhaus und es waren bei uns junge Leute aus Argentinien, Belarus, Ukraine, Usbekistan und Aserbaidschan“, zählt Margarita Rossenik nach kurzem Nachdenken auf. Die 24-Jährige Belarussin arbeitet seit September 2021 als Fachkraft im Wichernhaus. Nach ihrem FSJ begann sie eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin an der Fachschule für Heilerziehungspflege/-hilfe der Rummelsberger Diakonie in Ebenried und wurde nach dem Abschluss im Wichernhaus mit offenen Armen als Fachkraft empfangen.
100 Bewerbungen
Für die Wichernhausleitung ist der Plan, junge Menschen als internationale Fachkräfte zu gewinnen, damit aufgegangen: „Wir haben vor einigen Jahren ganz bewusst angefangen, uns um Freiwillige aus dem Ausland zu bemühen“, erzählt Alexander Sperling, stellvertretender Leiter. Zwei Fachkräfte haben die Altdorfer so bereits gewonnen. Dieses Jahr hatten sie über 100 Bewerbungen für ein freiwilliges Jahr. Neben den jungen Leuten aus dem Ausland engagieren sich auch zehn junge Deutsche bei der Rummelsberger Einrichtung in Altdorf. Wer will, kann ein Zimmer im alten Universitätsgebäude beziehen und Teil der Multi-Kulti-WG im Wichernhaus werden.
„Als ich vor fünf Jahren mit meinem FSJ begonnen habe, hatten wir noch einen festen Ansprechpartner“, erzählt Margarita Rossenik und betont, wie sinnvoll es wäre, wieder eine Ansprechperson für die Freiwilligen zu haben. Aktuell kümmern sich die Wohnbereichsleiter*innen um die Neu-Wichernhäusler. Auch Kevin Kellermann. Per Videotelefonie führt er Vorstellungsgespräche mit jungen Menschen aus allen Ecken der Erde. Und wenn die Chemie passt, verschickt er die Vereinbarung über das FSJ, die die angehenden Freiwilligen brauchen, um ein Visum zu beantragen. Was allerdings nicht immer glatt läuft. „Ich schätze 25 Prozent der Bewerber bekommen kein Visum“, sagt Kellermann. Dann kontaktiert er die Deutsche Botschaft im Heimatland der Bewerber*innen und versucht zu helfen. Jedes Jahr aufs Neue und er freut sich jedes Jahr, wenn einige bleiben wollen und eine Ausbildung beginnen.
Für Mirzofaridunkhon Ataev endet das Abenteuer FSJ am 31. August 2022. Aber das Abenteuer seines Lebens geht weiter: „Ich will in Deutschland bleiben.“ Der junge Mann hat große Pläne. Von Altdorf zieht er weiter nach Stuttgart zu Freunden aus der fernen Heimat. „Ich werde dort eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machen“, erzählt er und dann will er Medizin studieren und als Arzt in Deutschland arbeiten.
Das Angebot eines Freiwilligendienstes richtet sich in der Regel an junge Menschen im Alter von 15 bis 26 Jahren. Es dauert im Regelfall ein Jahr. Ein Freiwilligendienst bringt viele Vorteile. Nach der Schule kannst Du ausprobieren, ob Dir ein Beruf im sozialen Bereich Spaß macht. Während der Zeit erhältst Du ein Taschengeld und hast Anspruch auf Urlaub. Du kannst außerdem an Kursen und Weiterbildungen teilnehmen. Interesse? Dann kontaktiere Kevin Kellermann am besten per E-Mail unter Kellermann.Kevin(at)rummelsberger.net.
Lust auf Sonne, Spiele und leckere Speisen? Dann nichts wie hin zum Sommerfest unseres Hauses Weiher am Sonntag, 24. Juli, in Hersbruck. Start ist um 10 Uhr mit einem Gottesdienst im Festzelt.
Mehr lesenLust auf Sonne, Spiele und leckere Speisen? Dann nichts wie hin zum Sommerfest unseres Hauses Weiher am Sonntag, 24. Juli, in Hersbruck. Start ist um 10 Uhr mit einem Gottesdienst im Festzelt. Mit dabei ist unter anderem Diakonin Elisabeth Peterhoff, Älteste der Diakoninnengemeinschaft und Vorstandsmitglied der Rummelsberger Diakonie. Weiter im Programm geht’s um 11 Uhr mit einem Weißwurstfrühstück, Leckerem vom Grill und auch veganem Essen. Ab 12.30 Uhr gibt`s Live-Musik, gefolgt von einem gemütlichen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen. Auf die kleinen Gäste und ihre Familien warten außerdem Spiele, Aktionen und Verkaufsstände mit schönen Dingen aus Rummelsberger Produktion.
Wichtig: Bitte testen Sie sich vor Besuch des Festes auf Corona! Kostenfreie Tests sind außerdem vor Ort möglich. In den Innenräumen des Hauses Weiher ist bitte eine Maske zu tragen.
Die Theatergruppe „Wichernrummel“ der Rummelsberger Diakonie interpretiert im diesjährigen Sommertheater Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“
Mehr lesenAltdorf bei Nürnberg – „Der kleine Prinz“, ein zeitloses Märchen über Freundschaft, Liebe und die großen Fragen des Lebens, wird erstmalig von der Theatergruppe „Wichernrummel“ am 26. Juli um 10.30 Uhr und 19 Uhr im historischen Hof des Wichernhauses Altdorf öffentlich aufgeführt. In der freien Interpretation des Stückes reist die kleine Prinzessin auf der Suche nach Freundschaft auf verschiedene Planeten und findet die Erwachsenenwelt alles in allem doch recht sonderbar.
„Theaterspielen macht Spaß“, da sind sich die Darsteller*innen der Theatergruppe „Wichernrummel“ einig. Wenn die Kinder und Jugendlichen nicht gerade in ihren Rollen als Fuchs, Rose und dem Trinker unterwegs sind, besuchen sie die Heilpädagogische Tagesstätte oder das Internat des Wichernhauses. Susanne Abel, Logopädin und Schauspielerin, die gemeinsam mit Verena Hoffmann die Theatergruppe leitet, musste für die Auswahl des diesjährigen Stückes des Sommertheaters nicht lange überlegen. „Als der kleine Prinz als Theaterstück freigegeben wurde, viel meine Entscheidung schnell auf das Stück. Die Geschichte bietet viele gleich große Rollen, so dass jeder den für sich passenden Charakter rasch gefunden hatte. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wählen ihre Rollen nämlich selbst aus“, erklärt die Leiterin.
Vor gut dreizehn Jahren, als Susanne Abel das Wichernhaus erstmalig während ihres Logopädie-Studiums im Rahmen eines Praktikums besuchte und die große Tribüne sah, die im Rahmen von Wallenstein im Innenhof errichtet worden war, wusste sie, dass sie genau dort mit den Kindern und Jugendlichen ein Theaterstück aufführen möchte. Dieser Wunsch blieb nicht unerfüllt und vor zehn Jahren führte Susanne Abel gemeinsam mit der Theatergruppe ihr erste Bühnenstück auf. In diesem Jahr nach der langen Corona-Pause ist die bevorstehende Aufführung für alle Beteiligten ein besonderes Highlight.
Von Beginn an legte Susanne Abel besonderen Wert darauf, den Kindern und Jugendlichen nicht nur eine weitere Freizeitmöglichkeit im Wichernhaus zu bieten, sondern ihnen das klassische Theaterspielen näher zu bringen. So gibt es neben den wöchentlichen Proben, die seit Ostern stattfinden, noch die Lese-, Sprech- und Kostümproben sowie Einzelproben zum vertiefenden Textlernen. In ihrer Rolle als Schauspielerin ist sie für die Kinder und Jugendlichen oft ein Vorbild. „Die Regie führen wir jedoch meist alle gemeinsam“, so die Schauspielerin. „Die Kinder und Jugendlichen lieben die Fantasie und so entwickelt sich so mancher Text auch einmal spontan weiter oder wird kurzerhand umgeschrieben,“ ergänzt Abel. „Die Kinder sehen, dass ich sie als Schauspieler war nehme und nicht nur als Kinder die hier die Schule besuchen.“
Ein zeitloser Klassiker
Trotz all der Flexibilität und Freiheiten, die die Theatergruppe mit in das Stück einbringt: Die Geschichte des kleinen Prinzen ist und bleibt ein zeitloser Klassiker. Der kleine Prinz, welcher oftmals als simples Kinderbuch abgestempelt wird begeistert seit jeher Jung und Alt gleichermaßen. Der kleine Prinz ist ein Weltenreisender, der von Planet zu Planet reist und allerlei Begegnungen mit seltsamen Planetenbewohnern macht. So lernt auch die kleine Prinzessin in der Interpretation der Theatergruppe auf ihrer Reise unter anderem eine Königin, einen Geschäftsmann, einen Trinker und eine Schlange kennen.
Die Hauptrolle der kleinen Prinzessin hat sich in diesem Jahr die zwölfjährige Aurora Arancio-Febo geschnappt. Darüber ist sie besonders glücklich, weil es für sie aufgrund der Schließung des Internats ihr letztes Schuljahr im Wichernhaus ist und dies ein ganzer besonderer Abschluss für sie ist. Es ist ihre erste große Rolle und es scheint, als wäre sie ein Naturtalent. „Ich habe den Text drei oder viermal gelesen und dann konnte ich schon die Hälfte auswendig“, erzählt Aurora Arancia-Febo stolz.
Gemeinsamkeiten zwischen der Rolle der kleinen Prinzessin und ihr als Person gibt es durchaus. „Der kleine Prinz ist klein und bleibt es auch. Genauso wie ich. Ich bin kleinwüchsig und werde auch nicht größer“, so Aurora, die kleine Prinzessin. Ein besonderer Moment im Stück ist für die kleine Prinzessin die Begegnung mit dem Fuchs. „Erst streichele ich den Fuchs und dann sagt er einen ganz besonderen Satz zu mir“, strahlt Aurora Arancia-Febo. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Viele der Schauspielerinnen und Schauspieler sind schon seit Anfang an dabei. Über die Jahre betrachtet, sind viele von den Kindern und Jugendlichen wahnsinnig gewachsen. „Kinder, die normalerweise in der Schule ganz still sind, stehen auf der Bühne und trauen sich plötzlich etwas sagen. Oft sind Lehrer und Eltern ganz überrascht, weil sie diese Seite an den Kindern gar nicht kennen“, erzählt Susanne Abel.
Auf der Bühne stehen die Handicaps der Schauspielerinnen und Schauspieler im Hintergrund. „Die Kinder können sich ausprobieren und ihre Körperbehinderung spielt mal keine Rolle. Im Fokus steht ihre Rolle. So konzentrieren sie sich beispielsweise darauf, dass sie die Schlange sind und nicht die Schlange, die gleichzeitig eine sichtbare Körperbehinderung hat. Denn eine Schlange sitzt normalerweise nicht im Rolli“, ergänzt Abel. So zeigt auch die Philosophie Saint-Exupérys auf, dass das Besondere eines Menschen erst durch die Vertrautheit zu Tage tritt und nicht sichtbar wird durch äußerliche Faktoren. Sich vertraut machen oder jemanden „zähmen” ist die Basis von Beziehungen unter uns Menschen. Aus ihr entspringt unsere moralische Verantwortung füreinander.
Der Eintritt für das Stück ist frei. Die Theatergruppe freut sich über Spenden, die ihrer Arbeit zugutekommen.
Seit April teilen sich Sabrina Bias und Michael Fritsch gemeinsam die Leitung des Ambulant unterstützen Wohnens in Nürnberg
Mehr lesenNürnberg – „Den Standort Nürnberg erhalten Sabrina und ich in einem Topzustand von unserem Vorgänger Armin Schmid. Die Messlatte liegt entsprechend hoch und wir sind beide hochmotoviert diese gute Arbeit fortzusetzen,“ berichtet Michael Fritsch. Der 29-jährige Heilpädagoge teilt sich seit Mai 2022 die Teamleitung des Ambulant unterstützen Wohnens (AuW) in Nürnberg mit Sabrina Bias (31).
Das AuW begleitet Menschen mit einer Behinderung, die ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung führen. Aktuell unterstützen 27 Mitarbeiter*innen insgesamt 30 Klient*innen bei der Bewältigung des Alltags in Nürnberg, Fürth und Umgebung. Sie helfen beispielsweise bei der Haushaltsplanung, beim Aufbau und Erhalt von sozialen Kontakten, bei der Freizeitgestaltung oder beim Umgang mit Behörden.
Heilpädagogin Bias kam Anfang 2022 als Verstärkung ins Leitungsteam von Armin Schmid (42). Zuvor war sie Fachkraft im AuW Nürnberg. „Ich habe mich sehr über die Herausforderung gefreut. Sowohl für meine persönliche als auch über die berufliche Weiterentwicklung,“ sagt Bias. „Das AuW in Nürnberg hat sich seit 2017 stetig vergrößert, es kamen immer mehr Klient*innen und damit natürlich auch Kolleg*innen, deshalb haben wir uns für zwei Teamleitungen in Nürnberg entschieden“ erklärt Schmid und fügt hinzu: „Die Arbeit des AuW ist eine sehr individuelle Betreuungsarbeit, bei der Klient*innen den Tagesablauf und damit auch die Unterstützungszeiten bestimmen.“
Armin Schmid übernahm zum 1. April die Gesamtleitung der Offenen Angebote der Rummelsberger Dienste für Menschen mit einer Behinderung gGmbH, für ihn folgte Michael Fritsch ins Leitungsteam des AuW Nürnberg. „Ich freue mich darauf gemeinsam mit Sabrina die Verantwortung zu tragen. Eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre im Team und ein loyaler, zuverlässiger Arbeitgeber schaffen dafür beste Voraussetzungen,“ sagt Fritsch.
Fritsch und Bias freuen sich auf die Teamarbeit, sind sich aber auch der Herausforderung einer geteilten Leitung bewusst: „Zwei Teamleitungen heißt zum einen eine klare Verteilung der Zuständigkeiten, was die verschiedenen Klienten betrifft und zum anderen eine enge Zusammenarbeit und Kooperation in den gemeinsamen Aufgabenfeldern“, so Fritsch. „Da ist Kooperationswille, Kreativität und Entwicklungsbereitschaft gefordert – das wissen wir beide und wir sind guter Dinge, dass uns das gelingt,“ ergänzt Bias.
In Nürnberg gibt es enormen Bedarf an ambulanten Unterstützungsangeboten. Dabei ist Wohnraum knapp, wie überall. Behindertengerechte oder gar barrierefreie Wohnungen zu finden ist ungleich schwerer. Hier den Diskurs mit der Stadt Nürnberg, anderen Anbietern von sozialen Wohnbauten aber auch mit der Politik zu suchen und neuen Wohnraum zu erschließen, das sehen Bias und Fritsch als eine ihrer großen Aufgaben für die Zukunft an.
Schulen im Wichernhaus wird der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verliehen.
Mehr lesenAltdorf – „Wir wollen uns gegenseitig respektieren, so wie wir sind.“ „Niemand sollte benachteiligt werden.“ „Ich will mich sicher fühlen.“ Die Schüler*innen des Förderzentrums für Körperbehinderte und der Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung am Wichernhaus hatten in einem Video zusammengefasst, warum ihnen der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ für ihre beiden Schulen so wichtig ist.
Nach einem corona-bedingt fast dreijährigen Prozess tragen die Schulen seit April diesen Titel. Am Tag des Grundgesetzes konnten nun Schüler*innen, Lehrende und Projektpatin Tessa Ganserer, Mitglied des Bundestags, zu einer kleinen Feierstunde zusammenkommen.
„Wir wollen, dass alle Menschen würdig miteinander umgehen. Es ist traurig, dass das immer noch betont werden muss, aber leider ist das noch nicht selbstverständlich in der Gesellschaft“, betonte Diakon Thomas Jacoby in seinem Grußwort. „Viele hier im Raum wissen, was es heißt, besonders zu sein und aufzufallen. Das führt oft dazu, dass sie Gemeinheiten erleben müssen. Denn viele Menschen denken immer noch: ‚Anders ist komisch‘. Das mag in der Steinzeit sinnvoll gewesen sein, aber heute sollten wir doch dazu gelernt haben“, so der Leiter des Wichernhauses.
Durchs Programm führten Schulleiterin Claudia Stocker und Schülersprecher Fabiano Pronesti, der auch das neue Metallschild mit Projektlogo in Empfang nehmen durfte. Auch eine Urkunde sollte es eigentlich geben, doch Bertram Höfer, Regionalkoordinator von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ für die Region Mittelfranken, war leider krank geworden. Pascal Vogel, Fachlehrer an der Berufsschule, konnte jedoch an seiner Stelle einige Worte zum Projekt sagen. „Für uns ist vor allem der zweite Teil wichtig: Schule mit Courage. Denn nur Mut hilft gegen die Angst.“ Insgesamt sind bereits 3.500 Schulen in ganz Deutschland, mehr als 750 davon in Bayern, in dem Projekt, das 1986 seinen Ursprung in Belgien genommen hatte, engagiert.
Jede Schule wird von einer*einem Pat*in unterstützt, so auch die Förderschulen. Tessa Ganserer, Mitglied des Bundestags, freut sich, dass die Förderschulen dabei sind. „Dem Grundgesetz nach ist das ganz einfach: Kein Mensch darf benachteiligt werden. Die Realität sieht aber häufig noch ganz anders aus. Da gibt es Mobbing, Abgrenzung, Gewalt“, fasst sie zusammen. „Angst, nicht dazuzugehören, ist für Menschen das schlimmste und das kann jede und jeden treffen.“ Ihre Verantwortung als Politikerin sieht sie darin, Gesetze nachzubessern, wo das nötig sei. „Aber Gesetze heben die Vorurteile nicht auf. Das ist unsere Aufgabe. Sie steht jetzt in euren Hausaufgabenheften“, ermutigte sie die Schüler*innen.
Schulleiterin Claudia Stocker bedankte sich ganz herzlich für die Unterstützung der Patin und überreichte gemeinsam mit Fabiano Pronesti Geschenke – unter anderem hatten Schüler*innen der Berufsschule für die Politikerin einen Stuhl aus Metall angefertigt. Tessa Ganserer freute sich: „Schon beim Reinkommen vorhin habe ich gedacht: ‚Wow, das ist ja ein toller Stuhl!“
Das neue Profil will die Schule nun verstärkt leben durch Aktionen und Veranstaltungen. „Für uns ist das nicht nur eine Worthülse“, so Pascal Vogel.
Rummelsberger Diakonie setzt auf Unterstützte Kommunikation zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Mehr lesenAltdorf/Hilpoltstein/Mainleus – „Beziehung ist eine Folge von Kommunikation und damit auch nur so gut wie die Kommunikation“: Der Belgier Ludo Vande Kerckhove ist ein internationaler Kommunikationsexperte und arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen mit Behinderung und einer Autismus-Spektrum-Störung. Seit sechs Jahren unterstützt er Mitarbeitende der Rummelsberger Diakonie. Denn von aktuell 1.200 Menschen mit Behinderung, die bei dem sozialen Träger wohnen, äußern sich 40 Prozent der Menschen nicht oder nur wenig lautsprachlich. In Sachen Kommunikation bedeutet das eine große Herausforderung, die sechs pädagogische Teams in Mittel- und Oberfranken nun mithilfe des belgischen Experten besser meistern können.
„Überfordert, überrollt, überstresst“, so charakterisiert Ludo Vande Kerckhove den 64-jährigen Max Meier (Name geändert). Er lebt im Haus Schmeilsdorf in Mainleus/Oberfranken und wie ihm geht es vermutlich vielen Menschen mit Behinderung, die in stationären Wohneinrichtungen leben. Der Tagesablauf ist durchgetaktet und lässt nicht viel Raum für individuelle Lebensstile, die Mitarbeiter*innen wechseln als Ansprechpartner*innen. An diesen Strukturen lässt sich nicht viel ändern. Dennoch kann sich der Umgang miteinander deutlich verbessern. „Wir haben im Team erarbeitet, wie wir künftig mit Max umgehen werden“, erzählt Martina Seuberling, Teamleiterin der Rummelsberger Einrichtung in Oberfranken. Denn die Reibereien beginnen mitunter schon früh am Morgen: Max Meier ist ein Morgenmuffel. „Wenn die Kolleg*innen zum Wecken ins Zimmer kommen und es zu eilig haben, dann ärgert sich Max. Nun haben wir eine Routine vereinbart, die ihm den Start in den Tag erleichtert. Das klappt viel besser“, erzählt Seuberling ein Beispiel.
Deutliche Verbesserungen vermeldet auch das Team vom Auhof im mittelfränkischen Hilpoltstein. „Seit dem Coaching ist Sven Berger viel entspannter“, berichtet Ulrike Rothlehner. Die 34-Jährige arbeitet als Heilerziehungspflegerin in der Einrichtung für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Sven Berger habe sich immer schwergetan, Zeitspannen einzuschätzen und war sehr ungeduldig. Im Coaching hat das Team einen Weg gefunden, Zeit sichtbarer zu machen und einen Tagesplan zu erstellen. „Wir zeigen nun mit einer Wäscheklammer an, was als nächstes drankommt“, erzählt Rothlehner. Damit könne Sven Berger gut umgehen.
„Die Bewohner*innen und die Mitarbeiter*innen profitieren sehr von den Coachings“, berichtet Anja Pudelko. Als Leiterin der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation (UK) 18 plus am Wichernhaus in Altdorf organisiert und begleitet sie mit ihrem Team die Kommunikations-Coachings. Die Beratungsstelle wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, das Zusammenleben und das Verständnis der Bewohner*innen zu verbessern und so die Selbstwirksamkeit der Menschen mit Behinderung zu stärken. „Viele erhalten eine grundlegende Unterstützung bei der Kommunikation. Das geht über die reine Vermittlung von Hilfsmitteln hinaus“, erklärt Pudelko.
Mit den Methoden der unterstützten Kommunikation lernen die Bewohner*innen etwa über Bildkarten oder elektronischen Hilfen wie zum Beispiel iPads verständlicher zu kommunizieren. Denn wer sich nicht verstanden fühlt, resigniert oder macht seinem Frust Luft. „Es kommt leider immer wieder vor, dass es zu herausfordernden Verhaltensweisen aufgrund von Missverständnissen in der Kommunikation kommt“, berichtet Pudelko.
Neben Coachings bietet die Beratungsstelle auch Weiterbildungen für Mitarbeitende an. „In den vergangenen drei Jahren haben wir rund 70 Mitarbeiter*innen mit dem zertifizierten Einführungskurs für Unterstützte Kommunikation weitergebildet“, berichtet Anja Pudelko. Die Idee sei, dass die UK-Fachkräfte ihr Wissen an die Kolleg*innen weitertragen. So soll sich die Methodik der Unterstützten Kommunikation in der Rummelsberger Behindertenhilfe verankern und die Kommunikation der Menschen miteinander nachhaltig verbessern.
Ralph Eichenseher, Leiter des Fachbereichs Autismus, berichtet von gelebter Vielfalt im Fachbereich.
Mehr lesenRummelsberg – 2022 steht die Rummelsberger Diakonie im Zeichen von Diversität, Vielfalt und Gleichstellung. Der studierte Heilpädagoge Ralph Eichenseher leitet seit sechs Jahren den Fachbereich Autismus. Der 42-Jährige erklärt im Interview, wie er in den Mitarbeiter*innen göttliche Funken sieht, wie Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung am Gegenüber wachsen und warum der Fachbereich so stark ist beim Thema Frauen in Führungspositionen.
Herr Eichenseher, die Rummelsberger haben für 2022 das Jahr der Vielfalt ausgerufen. Wissen Sie, wie es damit im Fachbereich bestellt ist?
Ralph Eichenseher: Vielfalt ist meiner Meinung nach die Anerkennung dessen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Ein Individuum also, das unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Religion und Führungsposition sein darf. Diese Überzeugung lebe ich auch in meiner Rolle als Dienststellenleitung. Jede(r) hat für mich einen göttlichen Funken und das macht uns gleichwertig, als Mensch und als Mitarbeiter*innen der Rummelsberger Diakonie. Bei der Personalauswahl für bestimmte Positionen und für Leitungsaufgaben setze ich im Vorfeld keinen Filter, sondern schaue mir den Menschen an. Ich prüfe, ob die Haltung für uns passt und die nötigen Kompetenzen mitgebracht werden. Und auch ohne diese Kriterien anzuwenden, haben wir im Fachbereich einen recht ausgewogenen Anteil an weiblichen und männlichen Mitarbeiter*innen im Alter zwischen 21 und 66 Jahren. Mit einem Anteil von 42 Prozent Männern liegen wir deutlich über dem Durchschnitt der Rummelsberger Behindertenhilfe. Hier sind im Durchschnitt 24 Prozent der Mitarbeiter männlich. Auch die Teamleitungen sind im Fachbereich überwiegend weiblich besetzt und meine Chefin ist auch eine Frau.
Der Fachbereich Autismus hat 54 Mitarbeiter*innen. Wissen Sie aus dem Stehgreif, welche Religion die Kolleg*innen haben?
Ralph Eichenseher: Ich habe es nachgeschaut. Die meisten Mitarbeiter*innen des Fachbereichs Autismus sind evangelisch, viele auch katholisch und hier arbeiten auch einige ohne Bekenntnis. Religion gibt den Menschen die Möglichkeit, sich aktiv mit Werten und Moral auseinanderzusetzen, mit dem Ziel eines friedvollen Miteinanders. Daher stellt sich für mich in erster Linie nicht die Frage, aus welcher Religion heraus, die Menschen agieren, sondern vielmehr wie sie miteinander und den ihnen anvertrauten Menschen im Autismus-Spektrum umgehen.
Vielfalt bereichert - stimmen Sie dem zu?
Ralph Eichenseher: Auf jeden Fall. Gute Ideen und Entwicklungen entstehen, wenn unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen gut zusammenarbeiten. So kommen neue Perspektiven in Projekte, innovative Ansätze können entwickelt werden. Wichtig ist die Vielfalt auch in unserer alltäglichen Arbeit. Um die unterschiedlichsten Bedürfnisse unserer häufig sehr individuellen Bewohner*innen und Teilnehmer*innen erfüllen zu können, benötigt es mindestens ebenso viele Antworten und Angebote. Nicht jeder kann und will beispielsweise Klient*innen auf ein Rock-Konzert begleiten oder einen Blick dafür haben, wann ein Fenster geputzt werden sollte oder im Todesfall das Umfeld seelsorgerlich begleiten. Der Mensch wird am "Du" zum "Ich" hat es Religionspädagoge Martin Buber beschrieben. Für uns heißt das: Je vielfältiger meine Gegenüber („Du“) sind, desto einfacher fällt es dem „Ich“, Verhalten, Ansichten und Einstellungen zu vergleichen und den eigenen Weg zu finden und zu gehen.
Achten Sie bei Neueinstellungen darauf, auch Menschen mit einem internationalen Hintergrund einzustellen?
Ralph Eichenseher: Die Arbeit mit Menschen im Autismus-Spektrum ist besonders und auf diese Besonderheiten müssen sich die Mitarbeitenden einstellen. Daher achten wir in der Personalakquise und bei der Personalauswahl darauf, dass die Mitarbeitenden keine falschen Vorstellungen von ihrer künftigen Arbeit haben. Auf unserer Bewerberseite www.jobsplussinn.de haben wir Mitarbeiter*innen und Klient*innen porträtiert, die berichten, was bei uns so besonders ist. Dieses Konzept funktioniert sehr gut. Und wir haben momentan die Kapazität, (internationale) Fachkräfte bei uns willkommen zu heißen.
Erster Barrierefreier Garten der Rummelsberger Diakonie in Ebelsbach – Name wurde enthüllt
Mehr lesenEbelsbach – Bei strahlendem Sonnenschein wurde diese Woche mit vielen kleinen und großen Gästen das „Plauder-Gärtla“ in der Parkstraße eingeweiht. Seinen Namen erhielt der Garten über einen Namenswettbewerb. 51 Namensvorschläge waren insgesamt eingereicht worden. Ein Gremium aus Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen des Wohnbereichs der Rummelsberger Dienste für Menschen mit einer Behinderung wählten gemeinsam den Namen „Plauder-Gärtla“ von Frau Monika Göhr. Er bringt die Idee des Gartens auf den Punkt: Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, Kinder und Erzieher*innen des benachbarten Kindergartens sowie alle interessierten Ebelsbacher*innen können hier zusammen verweilen und miteinander plaudern.
Auf die Wichtigkeit eines Gartens, nicht nur in Pandemiezeiten, wies Landrat Schneider in seinen Grußworten hin. Karl Schulz, Vorstand Rummelsberger Diakonie, ergänzte dies mit „der Garten ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs, des Beisammenseins. Für Menschen jeden Alters, für Menschen mit und ohne Behinderung, ja vielleicht auch für Menschen mit Vorbehalten, die diesen Ort nutzen, um ihren Mitmenschen zu begegnen und sie besser kennenzulernen.“
Das Plauder-Gärtla wurde gemeinsam mit den Bewohner*innen geplant, es ist rollstuhlgerecht und barrierefrei. Die Freude über die Rollstuhl-Rampe, die barrierefreien Wege, den barrierefrei zugänglichen Pavillon und die Schaukel ist groß. Möglich machten das alles zahlreiche Spenden, die über die Webseite infranken.de gewonnen worden waren. Eine großzügige Spende kam unter anderem von der Karl Wagner Stiftung.
Für die noch ungenutzten Flächen sind Hochbeete, ein Sinnesparcours und Gehege für Kleintiere geplant. Max, Bewohner der Rummelsberger Einrichtung und leidenschaftlicher Tischtennisspieler, wünscht sich außerdem eine Tischtennisplatte. Geplant sind auch Projekte zusammen mit dem katholischen Kindergarten. Die Kindergartenkinder konnten sich schon mit dem Garten vertraut machen und sangen den Gästen bei der Einweihung neu interpretierte bekannte Lieder vor. Aus „99 Luftballons“ von Nena wurde dabei zum Beispiel „26 Heimbewohner machen heute ne coole Party…“. Die weggedichteten Luftballons überreichten die Kinder anschließend den Bewohner*innen.
Bürgermeister Horn, Pfarrerin Schimmel und Dekan Lechner betonten die Wichtigkeit der Teilhabe am öffentlichen Leben und dass die Integration der Bewohner*innen nun auf eine neue, grüne Stufe gehoben werde. „Alle hier spüren ich bin wichtig und ich gehöre dazu,“ so Dekan Lechner in seiner Segnung. Bei Tanzmusik, Bratwürsten und Kaffee und Kuchen ging dann die „coole Party“ für Groß und Kein in den lockeren Teil über.
Jetzt darf erstmal alles wachsen, die Pflanzen und auch die Ideen. Dafür bekam Regionalleiter Günter Schubert extra eine Gießkanne vom Kindergarten überreicht.
Rummelsberger Diakonie gestaltet Streuobstwiese als inklusives Projekt in Hersbruck.
Mehr lesenHersbruck – Bald wird Hersbruck um ein inklusives Projekt reicher sein. Mit der kürzlich erteilten Förderzusage der Aktion Mensch können die Arbeiten auf der Streuobstwiese der Rummelsberger Diakonie im Ortsteil Weiher beginnen. Das Projekt wird eine inklusive Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Autismus. Die offizielle Eröffnung ist für Ende September geplant.
In den nächsten fünf Jahren soll aus der Wiese mit ihren Apfel-, Birn- und Quittenbäumen ein inklusiver Treffpunkt für alle Hersbrucker werden. Angedacht ist, auf Vereine und Kirchengemeinden zu zugehen und gemeinsam Veranstaltungen zu planen. „Wir überlegen, ob wir für Interessierte Kurse zum Einwecken und Saft pressen anbieten können“, erzählt Sabine Hager, Teamleiterin im Fachbereich Autismus der Rummelsberger Diakonie. Angedacht sind auch verschiedene Events in der Nachbarschaft, wie etwa Mitmachaktionen bei der Ernte und Verarbeitung des Obstes. Kindergärten und Schulen aus der Umgebung sollen die Möglichkeit bekommen, hier Projekttage zu erleben und mitzugestalten. „Wir wollen auch Feste und Weihnachtsbasare ausrichten“, verrät Sabine Hager. Für einen entspannten Austausch ist geplant, einen ausgebauten Schäferwagen aufzustellen.
Auch pädagogisch gesehen ist das Projekt sehr wertvoll für die Arbeit mit Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung. „Autisten brauchen eine sehr strukturierte Arbeitsatmosphäre. Auf der Wiese können wir die Arbeit in der Natur autismusfreundlich gestalten“, informiert Sabine Hager. Dazu werden zum Beispiel die Routen für den Rasenmäher mit bunten Bändern markiert. Und ganz wichtig ist auch, dass bei der Arbeit eine Routine einkehren kann. „Wir haben Obstbäume auf der Wiese stehen, die nacheinander blühen. So können wir von August bis Ende Oktober Äpfel ernten“, nennt Sabine Hager ein Beispiel. Zunächst ist die Wiese für Autisten aus Weiher geöffnet, aber dann werden auch Menschen im Autismus-Spektrum aus der Umgebung willkommen geheißen.
Neben der Pflege der Obstbäume und Bewirtschaftung der Wiese wollen die Verantwortlichen von der Rummelsberger Diakonie hier weitere landwirtschaftliche Projekte ins Leben rufen. Im nächsten Frühling wird ein Imker seine Bienenstöcke auf dem Gelände des Hauses Weiher aufbauen. Im Laufe der nächsten Jahre sollen Hühner auf der Wiese einziehen. „Da werden wir auch darüber nachdenken, ob Kinder aus der Umgebung Patenschaften für die Tiere übernehmen dürfen“, sagt Sabine Hager.
Verwirklicht werden konnte das Projekt auch mit Unterstützung der Stiftung ANTENNE BAYERN hilft und der Manfred-Roth-Stiftung. Ralph Eichenseher, Leiter des Fachbereichs Autismus, bedankt sich auch bei den vielen einzelnen Spender*innen: „Ohne die tolle Unterstützung könnten wir die Wiese nicht mit Leben füllen.“
Große Zustimmung findet die Streuobstwiese auch bei der Hersbrucker Stadtspitze: „Das Projekt passt in vielerlei Hinsicht sehr gut zu Hersbruck. Wir freuen uns sehr, dass es nun umgesetzt werden kann. Menschen mit und ohne Handicap zusammenzubringen und ihnen in der Natur die Möglichkeit zu bieten, sich zu betätigen, ist nicht nur Begegnung, das ist echte Teilhabe“, freut sich Bürgermeister Robert Ilg.
Rummelsberger Diakonie holt Berliner Expertin Sabine Zepperitz für neuen Ansatz in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung und Autisten – große Schulung in Altdorfer Wichernhaus.
Mehr lesenAltdorf – Kleine Mädchen tragen rosa Prinzessinnenkleider und erwachsene Menschen bekommen an der Supermarktkasse einen Trotzanfall? Was ist normal? „Beides!“, sagt Diplom-Pädagogin Sabine Zepperitz (50) und vertritt damit den entwicklungspsychologischen Ansatz in der Behindertenhilfe. Welche emotionalen Bedürfnisse ein Mensch hat, bestimmt sie mit dem Diagnostikmanual SEED, das sie mit Kolleg*innen entwickelt und erforscht hat. Zepperitz wird am 13. und 14. Mai im Betsaal des Wichernhauses 30 Mitarbeitenden der Rummelsberger Diakonie die Arbeit mit diesem Ansatz vermitteln. Heilpädagogin Anna-Lena Deeg (30) setzt die SEED-Diagnostik bei ihrer Arbeit in der Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation 18 plus der Rummelsberger Behindertenhilfe bereits ein. Im Interview berichten beide von Erfolgen und Erfahrungen.
Frau Zepperitz, was ist die SEED?
Sabine Zepperitz: Verhalten wird durch Emotionen gesteuert. Bei Menschen mit Entwicklungsverzögerungen, also einer geistigen Behinderung, ist auch die Entwicklung ihrer Emotionen beeinträchtigt. Die SEED (Skala der Emotionalen Entwicklung-Diagnostik) ist ein Diagnostikinstrument, mit dem man ermitteln kann, welche emotionalen Bedürfnisse bei einem Menschen im Vordergrund stehen. Diese werden mit der normgerechten kindlichen Entwicklung verglichen. So kann ein erwachsener Mensch mit geistiger Behinderung Bedürfnisse zeigen, die man bei jüngeren Kindern kennt: Er möchte zum Beispiel umarmt werden. In der Betreuung muss dies berücksichtigt werden, damit sich der Mensch wohl fühlt und ein glückliches Leben hat.
Was ist das Neue an diesem Ansatz?
Sabine Zepperitz: Die entwicklungspsychogische Sicht war in der Heilpädagogik schon in den 70ern ein Thema, wurde aber unter dem Aspekt der „Infantilisierung“ erwachsender Menschen kritisch gesehen. Das entwicklungspsychologische Modell „Schema der emotionalen Entwicklung“ (SEO) nach Anton Došen wurde Anfang der 2000er in Deutschland erstmalig publiziert. In den Niederlanden und in Belgien wird schon länger damit gearbeitet. Ursprünglich war SEO ein reiner Interviewleitfaden für Teamsitzungen. Wir haben das Instrument in einer europäischen Forschungsgruppe so weiterentwickelt, dass es nun als Diagnostikmanual diagnostischen und wissenschaftlichen Kriterien entspricht. Das Ergebnis ist die SEED.
Werden die Vergleiche von erwachsenen Menschen mit Behinderung mit Kindern ohne Behinderung nicht auch kritisch gesehen?
Sabine Zepperitz: Natürlich ist diese Kritik ernst zu nehmen. Aber durch gesellschaftliche Entwicklungen wie das Bundesteilhabegesetz BTHG, die UN-Behindertenrechtskonvention und die Empowerment-Bewegung werden Menschen mit Behinderung heute zunehmend als Erwachsene wahrgenommen, die das Recht auf Selbstbestimmung haben. Im Rahmen der Selbstbestimmung muss den Menschen auch zugestanden werden, erwachsen zu sein und kindliche Bedürfnisse zu haben! SEED vergleicht auch keine Menschen. Es werden emotionale Bedürfnisse verglichen.
Frau Deeg, wie sind Ihre Erfahrungen mit der SEED-Diagnostik?
Anna-Lena Deeg: Ich habe bisher sehr gute Erfahrungen mit der SEED-Diagnostik gemacht. Ich kenne das Verfahren schon aus meiner Ausbildung zur Heilpädagogin und wende es seit dem vergangenen Jahr in der Beratung zur Unterstützen Kommunikation an. Häufig bekomme ich Feuerwehranrufe von Kolleg*innen, wenn sie mit Bewohner*innen nicht mehr weiterwissen. So kam ich beispielsweise zu einem Team, das einen autistischen jungen Mann begleitet. Er wirkte sehr angespannt, das äußerte sich in aggressiven Verhaltensweisen. Im Team haben wir das Diagnostikmanual, wir sagen den SEED-Fragebogen, durchgesprochen und herausgefunden, dass seine emotionalen Bedürfnisse vergleichbar sind mit denen eines Kindes in der „Fremdelphase“. Somit war klar, dass der Fokus auf der Bindung zur Bezugsperson liegen muss. Der junge Mann wollte nicht allein sein. Auf dieses Bedürfnis gehen die Mitarbeiter*innen nun ein und der junge Mann ist zufrieden, weil seine Wünsche erfüllt werden.
Was bringt die SEED?
Anna-Lena Deeg: SEED bringt, dass Menschen mit Behinderung in unseren Einrichtungen selbstbestimmter leben können. Die Mitarbeiter*innen können sie besser verstehen und besser auf die Klient*innen eingehen. Viele Menschen mit Behinderung zeigen ein irritierendes Verhalten. Sie wirken zum Beispiel im Alltag fit, aber verzweifeln regelrecht, wenn ein bestimmtes Objekt nicht in greifbarer Nähe ist. Als ich noch auf der Wohngruppe gearbeitet habe, habe ich einen älteren Mann begleitet, der sehr an seinem Fotoalbum hing. Wir mussten es immer sofort suchen und da fiel es mir schon schwer, immer geduldig zu sein. Dank SEED habe ich begriffen, dass seine Objektpermanenz nicht voll entwickelt ist. Das bedeutet, er glaubt, das Fotoalbum sei für immer verschwunden; das erklärte mir die Bedeutung des Fotoalbums und ich habe ihn verstanden.
Frau Zepperitz, Sie sind Pädagogin und führen Diagnostik durch. Wollen Sie pädagogische Mitarbeiter*innen ermutigen, in der Diagnostik aktiver zu werden?
Sabine Zepperitz: Diagnostik bedeutet zunächst, standardisierte Verfahren anzuwenden. Das sollten sich Pädagog*innen generell mehr zutrauen, um für ihre tägliche Arbeit einen fachlichen Hintergrund zu haben. Mitarbeiter*innen, die mit SEED arbeiten, sollten sich in der Entwicklungspsychologie auskennen und sie müssen das Diagnostikmanual kennen. Daher empfiehlt es sich dringend, eine SEED-Weiterbildung zu besuchen. Wir sind sehr daran interessiert, dass SEED in den Einrichtungen angewendet wird. Das ist auch sehr gut möglich, weil es ein sehr praxisorientierter Ansatz ist, der das Thema Inklusion unmittelbar betrifft: Was braucht der Mensch, um glücklich und zufrieden zu sein?
Was raten Sie Einrichtungen, die SEED einführen?
Sabine Zepperitz: SEED ist ein Grundlagenkonzept und sollte von der Leitung getragen werden. Mitarbeitende brauchen eine Einführungsfortbildung, wie ich sie z. B. für die Rummelsberger Diakonie Anfang Mai in Altdorf halte. Ich erkläre den Ansatz und die Haltung, die dahintersteckt. Dann braucht es Moderatoren, die mit den Teams in den Einrichtungen die Erhebungen durchführen. Am besten ist es, wenn es mehrere Moderatoren gibt, die z. B. eine Arbeitsgruppe bilden, um sich zusammen weiter in den entwicklungspsychologischen Ansatz einzuarbeiten und kreative Ideen für den Alltag entwickeln. Eine Grundlage kann hier unser Buch „Das Alter der Gefühle. Über die Bedeutung der emotionalen Entwicklung bei geistiger Behinderung“ von Tanja Sappok und Sabine Zepperitz sein.
Zur Person
Sabine Zepperitz hat Erziehungswissenschaften an der TU Berlin studiert. Als pädagogische Leiterin am Berliner Behandlungszentrum (BHZ) für psychische Gesundheit bei Entwicklungsstörungen am Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge erweitert sie mit ihrem Team die psychiatrische Behandlung um den pädagogischen Blick. In einer europäischen Forschungsgruppe um PD Dr. Tanja Sappok, der Chefärztin des Berliner BHZ, haben sie die SEED weiterentwickelt und forschen hierzu intensiv.
Anita Skobl verlässt Rummelsberger Diakonie und wechselt als Gesamtleitung nach Bamberg zum Don Bosco Jugendwerk – Armin Schmid tritt ihre Nachfolge als Leiter der Rummelsberger Offenen Angeboten an.
Mehr lesenSchwarzenbruck – Anita Skobl (50) verlässt nach 21 Jahren in verschiedenen Führungspositionen die Rummelsberger Diakonie. Die Sozialpädagogin hat bei dem sozialen Träger in der Jugendhilfe und in der Behindertenhilfe gearbeitet. Zuletzt war sie als Leitung der Rummelsberger Offenen Angebote tätig. Anita Skobl wechselt als Gesamtleiterin zum 1. Mai zum Don Bosco Jugendwerk Bamberg. „Ich bin sehr dankbar für die erfüllende Zeit und die Förderung und Unterstützung, die ich bei der Rummelsberger Diakonie erfahren durfte“, sagte Anita Skobl am Donnerstag, 28.04.2022 bei einer kleinen Feierstunde in der Rummelsberger Philippuskirche.
Karl Schulz, Vorstand Dienste der Rummelsberger Diakonie, würdigte bei der Abschieds-Andacht die zahlreichen Leistungen von Anita Skobl. Als Beispiel nannte er ihr Engagement für junge Geflüchtete. In den Jahren 2014 und 2015 habe sie als Regionalleiterin die Rummelsberger Jugendhilfe in den Bezirken Ober- und Niederbayern in kürzester Zeit komplett neu aufgebaut. „Sie sind ein kreatives Organisationstalent und verfolgten Ihre Projekte und Ziele, erst in der Jugendhilfe und dann in der Behindertenhilfe, immer mit Biss und der nötigen Portion Ehrgeiz“, lobte Schulz die langjährige Mitarbeiterin.
Anita Skobl, die mit ihrer Familie in Erlangen lebt, stammt gebürtig aus Ungarn. Sie kam mit einem Stipendium für das Studium der Sozialpädagogik nach Mönchengladbach. Der Liebe wegen und wegen eines Aufbaustudiums im Bereich Sozialmanagement mit Schwerpunkt Sozialmarketing kam sie nach Nürnberg. Nach dem Berufsstart in der Abteilung Finanzwirtschaft und Grundsatzfragen im Bereich Qualitätsmanagement sowie Projekt- und Organisationsentwicklung wechselte sie in die Jugendhilfe. Als Leiterin war sie für die Rummelsberger Ausbildungsbetriebe und für die Förderschulen zuständig. Anschließend war sie die erste Marketingleiterin des sozialen Trägers.
Ihr Nachfolger als Leitung Offene Angebote ist Armin Schmid (42). Der Sozialpädagoge arbeitet seit Herbst 2017 als Teamleiter Ambulant unterstütztes Wohnen in Nürnberg bei der Rummelsberger Behindertenhilfe. „Meine Vorgängerin hat das Controlling und die Organisation der ambulanten Dienste neu gedacht und zum Beispiel durch die Teilung von Teams Wachstum ermöglicht. Ich plane, die Projekte zu etablieren und weiterzutreiben“, kündigte Schmid an. Außerdem will er die Digitalisierung bei der Rummelsberger Diakonie begleiten und neue digitale Kanäle erschließen. Ein wichtiges Anliegen ist ihm auch, dass die rund 280 Mitarbeiter*innen in den Offenen Angeboten nach den anstrengenden Corona-Jahren in der Arbeit wieder eine Routine entwickeln können.
Armin Schmid stammt aus Nürnberg. 2006 ist er mit seiner Frau und Tochter in die Schweiz ausgewandert, da er am damals schwierigen Arbeitsmarkt für Sozialpädagogen in Deutschland keine Stelle fand. 2017 kehrte die Familie dann wieder zurück, um näher bei den älter werdenden Eltern zu sein. In der Schweiz hat es Armin Schmid gut gefallen, aber: „Fachlich gesehen finde ich die Arbeit mit Menschen mit Behinderung in Deutschland innovativer und moderner. Ich finde es nach wie vor beeindruckend, dass die Rummelsberger Diakonie Teilhabemöglichkeiten so nachhaltig umsetzt.“ Die Mitarbeitenden der Rummelsberger Offenen Angebote leisteten in diesem Bereich eine besonders kreative und nachhaltige Arbeit.
Das Kompetenz-Zentrum für Barrierefreiheit der Rummelsberger Diakonie – capito Nordbayern – erweitert Netzwerk
Mehr lesenNeumarkt – Die Lebenshilfe Neumarkt e.V. arbeitet ab sofort mit capito Nordbayern zusammen. Die Partnerschaft beinhaltet die Nutzung des sogenannten Kriterienkatalogs für „Leicht Lesen" sowie Zugang zu aktuellen Entwicklungen und Fortbildungen im capito-Netzwerk.
Die capito-Methode ermöglicht Menschen den uneingeschränkten Zugang zu Informationen mithilfe eines Stufenmodells für leicht verständliche Sprache. Dahinter steht die Idee, dass auch Menschen mit geringen Sprachkompetenzen nicht jeden Text in der sogenannten „Leichten Sprache” benötigen. Und umgekehrt brauchen bei manchen Themen auch Menschen mit guten Lesekompetenzen einen Text in einer leichter verständlichen Version. Was die jeweils richtige Sprachstufe ist, hängt also nicht nur von den individuellen Lesekompetenzen ab, sondern auch vom eigenen Vorwissen.
Das Stufenmodell von capito ist TÜV-zertifiziert und einzigartig: „Wir haben für jeden Menschen mit entsprechenden Verständnisfähigkeiten drei mögliche Sprachstufen", erklärt Sabrina Weyh, Leiterin von capito Nordbayern.
„Im Rahmen einer Fortbildung bei der Rummelsberger Diakonie habe ich die capito-Methode kennengelernt“, sagt Julia Steffens von der Lebenshilfe Neumarkt e.V. „Sie hat mich überzeugt, weil man mit dieser Methode Texte zielgruppengerecht gestalten kann.“ Die Lebenshilfe Neumarkt e.V. wird nach und nach die Kommunikation mit ihren Klient*innen mit Leicht Lesen ausbauen.
Mit über 80 Partnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz wächst das capito-Netzwerk kontinuierlich. Die Rummelsberger Diakonie ist seit 2014 Partner im Netzwerk von capito.
Bewohner*innen und ehemalige Mitarbeiter*innen überdenken gemeinsame Vergangenheit am Auhof
Mehr lesenHilpoltstein – Über die Vergangenheit sprechen, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Unter dieses Motto frei nach Helmut Kohl hatte Andreas Ammon den Abend zum Buch „Es sollte doch alles besser werden. Die Behindertenhilfe der Rummelsberger Diakonie 1945 bis 1995“ gestellt. Der Leiter des Auhof kündigte den rund 80 Besucher*innen an, man wolle auch „auf das blicken, was Narben hinterlassen hat bei Bewohnern und Mitarbeitern“. Diese Ankündigung ist wörtlich zu nehmen – schließlich nahmen an dem Abend langjährige Bewohner*innen des Auhof ebenso teil wie Menschen, die im fraglichen Zeitraum am Auhof gearbeitet hatten. Viele haben an den in dem wissenschaftlichen Band herausgearbeiteten Ereignissen noch heute zu tragen.
Im Buch arbeiten die Wissenschaftler*innen Karsten Wilke, Hans-Walter Schmuhl, Sylvia Wagner und Ulrike Winkler anhand der wenigen noch vorhandenen Quellen unter anderem heraus, dass es in manchen Wohngruppen im Auhof in den 1970er-Jahren immer wieder zu Gewalt gekommen ist. Zu Gewalt zwischen Bewohner*innen, zu Übergriffen von Mitarbeiter*innen gegen Bewohner*innen und auch zu Gewalt von Bewohner*innen gegen Mitarbeiter*innen. Im ersten Teil des Abends zum Buch las Mitarbeiter Tobias Kilian, im ersten Beruf Schauspieler, Passagen aus einer der Hauptquellen der Wissenschaftler*innen: den sogenannten Tag- und Nachtbüchern. „Der Abend war einfach schrecklich!!!!! [sic!] Die Kinder waren fürchterlich. Keiner hat gehört. Ein Geschrei war. Um 8.00 [Uhr] waren‘s endlich im Bett.“
Eintragungen wie diese und noch weitaus drastischere waren damals nicht als Dokumentation im heutigen Sinne gedacht, sondern als Hilfestellung für die in der Schicht folgenden Kolleg*innen – und manchmal wohl auch als Ventil für den Frust und die Belastung, die die Arbeit mit behinderten Menschen unter schwierigen Bedingungen bedeutete. „Wir wollen nicht verurteilen, wir wollen verstehen“, betonte Ammon. Zwischen den einzelnen Passagen aus dem Buch spielten Kilian und die beiden Bewohner Hans Gungl und Reinhard Amberg immer wieder Musikstücke. Um das in der Lesung Gehörte gemeinsam zu überdenken und ins Gespräch zu kommen, tauschten sich die Gäste in mehreren Gruppen aus. Hier trafen sich Menschen, die in den 1970er-Jahren als Kinder und Jugendliche am Auhof lebten, damalige Mitarbeiter*innen, Bürger*innen aus Hilpoltstein und Menschen, die heute am Auhof und in Außenwohngruppen tätig sind.
„Ich musste in Bruckberg in den Bus steigen und wusste nicht, wohin es geht“, erinnerte sich ein Bewohner, der als Fünfjähriger an den Auhof kam. „Eingesperrt“ sei er damals am Auhof gewesen. Er habe auch „Haue“ gekriegt. Er berichtete davon, dass es später in einer anderen Wohngruppe am Auhof besser gewesen sei. Überhaupt habe sich sehr viel geändert im Laufe der Jahrzehnte. Heute genieße er seine Freiheit, alleine hinzugehen und hinzufahren, wohin er wolle. „Ich war sogar eine Woche in Berlin“, berichtete der Rentner.
Diese Entwicklung von stark geschlossenen Einrichtungen mit kaum individuellen Freiheiten für die Bewohner*innen hin zu offenen Wohnformen, bei denen den Menschen Unterstützung geboten, aber nicht aufgedrängt wird, ist kennzeichnend für die gesamte Bundesrepublik. Besonders den ehemaligen Mitarbeiter*innen am Auhof in der Runde war mit Blick auf die 1970er-Jahre ein Aspekt wichtig: „Es war auch eine Zeit des Aufbruchs am Auhof.“ Die damaligen Mitarbeiter*innen seien größtenteils noch „in einem autoritären System aufgewachsen“ und seien insofern auch ein Stück weit „Gefangene ihrer Zeit“ gewesen. „Es war ein Ringen, es besser zu machen“, fasste es eine Frau zusammen.
Ähnliche – teils auch deutlich schärfere Diskussionen – fanden in den anderen Gesprächsrunden statt. Im abschließenden gemeinsamen Teil mit kurzer Andacht betonte Andreas Ammon noch einmal: „Wir denken an alle, wir verdammen keinen.“ Ihm sei es ein großes Anliegen, dass die Menschen, die damals am Auhof gelebt und manches erlitten hätten, heute eine Stimme haben, die gehört werde. Auch um für die heutige Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu lernen.